Frauenquoten
- alrasumofsky
- 7. März 2021
- 5 Min. Lesezeit
Heute geht es in der Reihe „sonntäglicher Tanz im Minenfeld“ um das Thema Frauenquote und warum sie nicht uneingeschränkt befürwortet werden sollte.
Ich kann mich noch an eine Zeit erinnern, da saß ich zusammen mit anderen in der Öffentlichkeit in sogenannten „Kinos“. Wir schauten in diesen Gebäuden auf eine Leinwand (das ist sowas wie ein Fernseher, nur größer). Am Beginn der „Kinovorstellung“ war es zum Ritual geworden Werbung zu zeigen, die in etwa so lange dauerte wie der Film, der auf die Werbung folgen sollte. In einer der Werbungen, die bei dieser Aktivität regelmäßig zu sehen war, wurde mit bunten Farben und mit einem motivierenden Song für Frauen in technischen Berufen geworben. Mädchen sollten Lehren in männerdominierten Bereichen absolvieren, oder im Idealfall ein Studium in einem der STEM Fächer antreten.
Über die Wirksamkeit solch toller Werbefilme brauchen wir jetzt mal nicht zu streiten. Ich bin mir sicher, dass direkt nach dem Hauptfilm viele Frauen im Publikum, die vielleicht vorher vorgehabt hatten Friseurin zu werden, aufgestanden sind und sich sofort für die Lehre in einem technischen Beruf beworben haben. Vielleicht haben einige schon während der Werbung den Saal verlassen, um ihre Inskription zu ändern und nicht wie geplant Medizin zu studieren, sondern Physik.
(In Wahrheit dachte ich mir damals als bekennender Zyniker, dass sich bei der Zielgruppe der XXX-Lutz Effekt einstellen würde. Dieser Effekt tritt auf, wenn man versucht für etwas zu werben, was der Kunde eigentlich mag, aber aufgrund der Werbung verliert der/die potenzielle Käufer*in jegliche Sympathie für das Produkt. Wenn ich zum Beispiel eine XXX-Lutz Werbung mit dieser wahnsinnig nervigen Familie Putz sehe, erneuere ich jedes Mal mein Versprechen an mich selbst, nie wieder einen Fuß in dieses Geschäft zu setzen… Diese Familie sollte eigentlich zum Kaufen anregen. Das Einzige, was die Putz Familie bei mir hervorruft ist ein gewaltiger Brechreiz. Das ist schade, weil der Lutz ja eigentlich schöne Sachen hat. Der XXX-Lutz Effekt hatte sich sicher auch in den Kinos eingestellt und intelligente Frauen, die eigentlich vielleicht gerne in die Technik gegangen wären, wurden aufgrund dieser herablassenden Werbung von den Berufen abgeschreckt.)
Heute fiel mir diese längst vergangene Zeit der öffentlich konsumierten Werbung ein, als ich im Radio hörte, dass in österreichischen Chefetagen wieder mal über die Frauenquote diskutiert wird. In Vorständen großer österreichischer Firmen gibt es anscheinend immer noch nur einen Frauenanteil von 9%. In Aufsichtsgremien scheint die zuvor eingeführte Frauenquote zu ziehen, da sich hier bereits ein Frauenanteil von 26% etabliert hat. Auch in Deutschland gibt es eine Frauenquote für die Chefetage und sie wirkt.
Alles hier nachzulesen:
Die Frage scheint also nicht mehr zu sein, brauchen wir eine Frauenquote, sondern: wann kommt sie endlich? Ich verstehe die Rufe nach dieser Quote und glaube mittlerweile auch, dass sie in gewissen Bereichen in einer sehr speziellen Form durchaus Sinn macht. Hier meine Gedanken:
Wenn man zum Beispiel eine Quote in die Branche einführt, die einigermaßen den Anteil der weiblichen Bevölkerung an dieser Branche abzeichnet, fände ich das sinnvoll.
Wenn ich zum Beispiel an meinen insgesamt sechswöchigen Versuch denke, Physik zu studieren, (etwas, das mit meinem Verstand nur sehr eingeschränkt möglich war) dann erinnere ich mich auch an den Frauenanteil in den Hörsälen. Wenn es ein Fünftel war, dann war das ein guter Tag. Tatsächlich sind etwa 20% der Absolvent*innen eines Physikstudiums an österreichischen Unis Frauen.
(vgl. https://www.spektrum.de/lexikon/physik/frauen-in-der-physik/5284#:~:text=Der%20Anteil%20der%20Frauen%2C%20die,L%C3%A4ndern%20(Daten%20von%201995).
Insofern überraschte es mich auch nicht, dass ich nur männliche Professoren hatte. Wenn von vornherein nur 20% Frauen in einem Fach unterwegs sind, dann ist es auch irgendwie logisch, dass dann noch einmal nur ein Bruchteil dieser Frauen sich in dem Feld so hervortun wird, dass sie eine Professur bekommen. Umgekehrt war ich auf der Anglistik nicht davon überrascht, dass das Geschlechterverhältnis unter den Student*innen und Professor*innen genau umgekehrt war. Hier wäre mir eine Männerquote bei Professuren sehr schlecht aufgestoßen und ich hätte mich sehr darüber gewundert. Interesse ist eben immer noch eine Sache, die sich nicht mit Quoten regeln lässt. Dies zeigt sich auch daran, dass sich selbst in den „gleichsten“ Gesellschaften Männer eher für „typisch männliche“ Berufe entscheiden und Frauen eher für „typisch weibliche“:
(https://science.orf.at/v2/stories/2895283/)
Dabei ist logisch, dass eine Quotenregelung in diesen beiden Bereichen den Fächern nicht gut tun würde. Eine 50/50 Quotenregelung auf der Physik würde zwangsläufig dazu führen, dass das Feld zurückfallen würde. Vereinfacht würden Professuren so aufgeteilt werden: Wenn 10 Professuren aus einem Pool von 100 Student*innen besetzt werden müssten, würden von 80 Männern und von 20 Frauen die 5 besten ausgewählt werden. Wenn man sich gegen 80 Mitbewerber*innen durchsetzen muss und einen Posten bekommt, ist die Wahrscheinlichkeit um einiges höher, dass man was auf dem Kasten hat, als wenn man sich gegen 20 Mitbewerber*innen durchsetzen muss… irgendwie logisch. Auch in den Aufsichtsräten geht es ja nicht um eine 50%ige Quote und das finde ich gut so.
Bei allen Motzereien über die Frauenquote sollte man aber auch immer die historische Ungleichbehandlung der Geschlechter betrachten. Auch wenn ich nicht glaube, dass alle Männer immer von der Ausbeutung ihrer Frauen gelebt haben, und die Vergangenheit nur als ewiges Zeitalter der Unterdrückung der Frau zu betrachten sei, wie uns oft verkauft wird, waren juridische Ungleichbehandlungen zwischen Mann und Frau bis weit in das 21. Jahrhundert gang und gäbe. Man denke nur an die Tatsache, dass eine Frau das Einverständnis ihres Manns brauchte, um arbeiten zu gehen (…vom viel zu spät eingeführten Frauenwahlrecht wollen wir gar nicht sprechen). All diese historischen Siege waren hart von den Vertreter*innen des Feminismus erkämpft und wir sollten sie dafür hochleben lassen.
Allerdings wird uns heute auch oft als Sieg verkauft, dass in einer Familie beide Elternteile arbeiten gehen müssen, damit sie sich den Alltag überhaupt leisten können. War es noch vor zwei Generationen möglich, sich mit dem Gehalt eines Handwerkers ein Haus aufzustellen, braucht es heute zwei Gehälter, um einen Kredit für eine 3-Zimmerwohnung zu finanzieren und diesen mit einer Laufzeit von 35 Jahren abzubezahlen. Ob das ein Sieg für die Gleichberechtigung war, sei mal dahingestellt… wenigstens müssen heutzutage ALLE arbeiten. (Vielleicht wird auch irgendwann die Kinderarbeit wieder eingeführt werden und uns wird das dann als Sieg für die Gleichberechtigung zwischen Kindern und Erwachsenen verkauft).
Ein weiteres grundsätzliches Problem mit den Quoten ist, dass eigentlich immer nur über die Quote in prestigeträchtigen Bereichen gesprochen wird. Nie spricht man über die Frauenquote bei der Müllabfuhr, auf Ölbohrinseln, oder in Gefängnissen. Alles Bereiche, in denen Männer zahlenmäßig dominieren. Bei der Gleichberechtigung ist uns eben nur die Quote wichtig, solange sie in der sozialen Stratosphäre Auswirkungen zeigt.
Das ist auch logisch! Es handelt sich hierbei überall zwar um männlich dominierte Bereiche (außer in Frauengefängnissen… hier gibt es vermutlich recht wenige Männer), allerdings will da auch niemand hin. Man kann sich das Topgehalt eines Managers oder Aufsichtsratsmitglieds schon vorstellen! Wer von uns würde nicht gerne am Ende des Monats diese Zahlen am Konto sehen (selbst ohne zu wissen, wie viel Geld das tatsächlich ist). Auf der anderen Seite stellt sich natürlich auch die Frage, wer von uns bereit wäre, die Arbeitszeiten eines Aufsichtsratsmitglieds in Kauf zu nehmen. Die Zeiten, in denen diese Menschen den ganzen Tag Zigarre rauchend, mit überkreuzten Beinen am Schreibtisch sitzend, den Sekretärinnen auf den Arsch schauten, gab es wohl nie wirklich, oder wenn doch, sind sie vermutlich vorbei (wieder zeigt sich, wie vollgestopft mein Hirn mit Vorurteilen ist. Wer sagt uns, dass nicht die Aufsichtsrätin dem Praktikanten auf den Arsch schaut?).
Worauf will ich damit hinaus? Wer sagt uns, dass Frauen, die sich für Aufsichtratspositionen bewerben könnten, sich nicht bewusst öfter dagegen entscheiden als die männlichen Kollegen?
Vielleicht ist es ja wirklich, wie man es uns sagt überall gibt es strukturelle Unterschiede, die Frauen am Durchbruch in die Chefetage hindern, und nur eine Quote kann helfen. Aber wenn man sich vorstellt, dass irgendjemand dieses Argument bringt, dann klingt das genauso herablassend wie der Ton der anfänglich erwähnten Werbung: „Ja, wir brauchen mehr Frauen in diesen Positionen… aber alleine schaffen sie das leider nicht… Da müss‘ ma den Mädels ein bisschen helfen.“ Wem kommt bei diesem Gedanken nicht das Lutz-Kotzen?
Frauen in Machtpositionen! Ja! Aber über die Frauenquote wird das vermutlich nicht nachhaltig funktionieren. Und wer sagt uns, dass zum Schluss nach all diesen Diskussionen und Entwicklungen nicht der fahle Beigeschmack der „Quotenfrau“ bleibt.
Wie immer bitte ich um eure Meinungen, damit ich meine daran nachschärfen kann.
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