Gender und Schule
- alrasumofsky
- 28. Feb. 2021
- 7 Min. Lesezeit
Heute geht es um das Thema Gender in der Schule und warum ich glaube, dass es in der Form, wie es an der Uni diskutiert wird aus der Schule verbannt gehört.
Wow… Einige von euch werden vermutlich hier schon mit dem Lesen aufhören und sich denken: „Jetzt schnallt der Typ komplett ab.“ Lasst mich versuchen, meinen Standpunkt zu erläutern.
Gerade in Akademikerkreisen sorgt das Thema Gender immer wieder für Streit. Allein schon auf der Wortebene beginnen einige an der Uni hier zu schwitzen. Verwendet man das falsche Wort, könnte es sein, dass man die KollegInnen verstört, oder die Professor*innen einem so schnell einen 5er aufbrummen, dass einem/r der/ die Kopf wackelt [sic]. Was, wenn man aber auf jemanden trifft, der nicht den Konsens der Mehrheit vertritt? Verschwörerisch wird dann hinter vorgehaltener Hand ein derber Altherrenwitz erzählt, oder ein Gespräch über den Platz der Frau in der Gesellschaft vom Zaun gebrochen, das für alle Beteiligten, bis auf einen, zu unangenehmen Magenkrämpfen führt. Es ist leider tatsächlich so, dass die stärksten Gegner des Genderthemas oft auch die Machos sind, mit denen man im Idealfall nichts zu tun haben will.
Das Thema ist verzwickt. Beim Thema Gender ist es ganz leicht, mit einem einzigen Satz – ja mit einem Wort – den Großteil der Leser*innenschaft abzuschrecken.
Schreibe ich zum Beispiel: „Das Geschlecht, biologisch und sozial (also Gender und Sex), ist ein reines Konstrukt der Gesellschaft“, werden all jene beleidigt sein, die glauben, dass es so etwas wie eine biologische Grundlage für diese Kategorien gibt. Alle die glauben, dass das Zumpfi oder die Muschmusch zuerst kamen und die Gesellschaft erst dann ihre Kategorien entwarf, werden sich hier denken, der Typ hat einen Piepmatz (Vogel, nicht Zumpfi!).
Wenn ich andererseits verlautbaren würde, dass es NUR diese biologische Grundlage gibt und alle gesellschaftlichen sexuellen Merkmale sich davon ableiten, würden wieder einige aufjaulen. Würde ich behaupten, dass es natürlich ist, dass Mädchen pink angezogen werden und Jungen blau und dass Männer von Natur aus gut Auto fahren können und alle Frauen sich immer aus einem Urinstinkt heraus um Kinder kümmern wollen, würden viele von euch empört „Schwachsinn“ rufen. Ihr würdet vielleicht sagen: „Ich habe eine Tante, die kann gut Auto fahren und mein Mann passt immer auf unsere Kinder auf, weil ich sie eigentlich nicht mag“. (Bitte die Beispiele nicht ernst nehmen… die sind überspitzt… diese Debatte braucht viel mehr Humor).
In diesem Bereich wird es so viele Meinungen wie Leser*innen geben. Und ich persönlich finde das gut. Wo ist jetzt also mein Problem?
Diese Meinungsvielfalt zeigt sich, meiner Meinung nach, in bestimmten Bereichen unseres Lebens nicht. Vor allem an der Uni wird hier immer mehr auf orthodoxe Einstellungen gesetzt. Ich erzähle hier anekdotisch. Es kann also sein, dass andere Stundent*innen ganz andere Erfahrungen in diesem Bereich gemacht haben.
Im Lehramt gibt es, solange man in Wien Deutsch auf Lehramt studiert, verpflichtende Vorlesungen in bestimmten Bereichen. Eine dieser Lehrveranstaltung muss aus dem Bereich Gender kommen. Jetzt werden sich wieder einige denken: na gut… eine Lehrveranstaltung… was ist das schon? Und ich bin ganz eurer Meinung. Ich persönlich habe sehr von der Erweiterung meines Horizontes in diesem Bereich profitiert. Ich glaube, dass ich in den Lehrveranstaltungen mit Genderschwerpunkt (bei mir waren es dann 3 oder 4) sehr viel über meine unbewussten Vorurteile in diesem Bereich gelernt habe. Meistens bleibt es aber nicht bei dieser einen Veranstaltung. Jede Veranstaltung setzt irgendwann das Thema in den Mittelpunkt. Da geht es dann nicht mehr um die Literatur um 1900, sondern Frauen in der Literatur um 1900. Da geht es um Sprachpolitik, Beispiele für Unterdrückung und um die subtilen Machtspielchen des Alltags. Alles schön und gut, aber irgendwann hat man es dann verstanden. Und auch hier wäre ich noch einverstanden, wenn es eine Debatte in diesen Kursen gäbe.
Was ich nämlich auch gelernt habe ist, dass es sowas wie eine orthodoxe Denkweise unter den Student*innen und Professor*innen gibt. Ich erinnere mich an eine Diskussion in einem Seminar an der Anglistik, bei dem es dann plötzlich um die Basis des gesellschaftlichen Geschlechts ging. Ich vertrat die Meinung, dass es für gewisse gesellschaftliche Phänomene eine Grundlage in der Biologie geben könnte. Zum Beispiel, dass ein Großteil der Mütter – nicht alle! – aufgrund von Hormonen, die während der Schwangerschaft ausgeschüttet werden, eine extrem enge Bindung zu ihrem Kind aufbauen und deshalb vielleicht sogar gerne nach der Schwangerschaft Zuhause bleiben, und nicht sofort wieder zurück ins Büro laufen wollen. Ich vertrat die Meinung, dass man hier einen gesellschaftlichen Zwang auf diese Frauen ausübe, die eigene Arbeit so schnell wie möglich wieder am Arbeitsmarkt zu verkaufen, um nicht hinter den Kolleg*innen zurückzubleiben, oder als Verräterin am Feminismus gebrandmarkt zu werden. Ich vertrat die Ansicht, dass hier unter dem Deckmantel der Gleichberechtigung die Ausbeutung daherkam und vielleicht… und wirklich nur vielleicht… bei dem Wiederwillen einiger Frauen, sofort nach der Geburt wieder in die Kanzlei zu gehen, auch die Biologie eine Rolle spielt.
Wenn euch jetzt ein unangenehmes Gefühl in der Magengrube aufkommt, dann geht es euch gleich wie mir damals. Diese Ansicht ist äußerst fragwürdig. Wer sagt uns, wie viel hier gesellschaftlich gemacht ist und wieviel von diesem Gefühl einen biologischen Kern hat? Wer sagt uns, dass hier das letzte Wort gesprochen ist? Niemand! Richtig. Ich wollte damals auch nicht sagen, dass ich einen unumstößlichen Glauben in dieser Sache vertrete. Doch ich wollte einfach diese Meinung vertreten, da sonst irgendwie niemand im Seminar diese Meinung zu vertreten schien. Als sich nach einiger Zeit herausstellte, dass ich auf verlorenem Posten kämpfte und dass hier von 24 Anwesenden 23 eine andere Meinung als ich vertraten, gab ich auf. Was mich allerdings verwunderte war, dass nach dem Seminar einige der Zuhörer*innen zu mir kamen und mir sagten, sie hätten eben diese von mir vertretene Meinung, nur wollten sie sich nicht öffentlich dazu bekennen, weil man sowas auf der Uni nicht sagen könne.
Ich war baff.
Wenn wir an der Universität gewisse Positionen, die in der Gesellschaft weit verbreitet sind, nicht mehr vertreten können, weil wir uns nicht trauen, was bleibt dann von der Suche nach der Wahrheit, die angeblich das große Ziel der Uni ist?
Spätestens jetzt wird sich die Leserschaft fragen, was das alles mit dem Lehramt zu tun hat? Du wolltest uns doch sagen, warum du gegen die Art bist, in der Gender in der Schule unterrichtet wird. In der Schule, nicht an der Uni!
Darauf sage ich: es ist eine dieser Alltagsweisheiten, dass alles was auf der Uni geschieht ein paar Jahre später in die Wirtschaft sickert. Wie ist es aber in einem Bereich, wo die Jobbeschreibung schon eine Erziehung der nächsten Generation mit einschließt? Das bringt mich zu dem Video, das Auslöser für diesen Blogpost war:
Für diejenigen, die’s nicht anschauen wollen: Megyn Kelly, die hier von Bill Maher, einem Comedian und dem Host von „Real Time“ interviewt wird, erzählt hier von ihren Kindern und von der Erziehung, die sie in Sachen Gender und Race in einer New Yorker Privatschule erhalten. Sie erzählt auch davon, dass bereits Achtjährigen beigebracht wird, dass Sex und Gender gesellschaftliche Konstrukte sind. Eine Debatte, die noch lange nicht vorbei ist, wird hier als vollendete Tatsache dargestellt und das in einem Alter in dem von kritischem Denken bei den Schüler*innen nicht die Rede sein kann. Megyn Kelly, werden einige von euch sagen… da klingelt was. Die Frau war zuerst bei Fox News gewesen, bis sie 2017 zu NBC gewechselt hatte. Sie ist politisch kein unbeschriebenes Blatt und alles was sie sagt, sollte mit einem Quäntchen gesundem Zweifel betrachtet werden.
Aber die Kämpfe entlang der Demarkationslinien von Identitätsmerkmalen wie Gender und Rasse sind in den USA zu einem nie zuvor dagewesenen Level in der öffentlichen Diskussion entflammt, das solche Auswüchse durchaus wahrscheinlich macht. Die „Culture Wars“ toben auch nach Trumps Präsidentschaft weiter. Hoffnungen darauf, dass die Demokraten radikalere Identity-Politics Standpunkte aus ihrem Programm streichen würden, wurden bald nach der Wahl enttäuscht. Als in den Hausregeln des Senats Wörter gestrichen wurden, die das Geschlecht einer Person in den Vordergrund rücken, wie Vater oder Mutter, sorgte das vor allem bei den Konservativen für einen Aufschrei. Das bedeutete übrigens nicht, dass diese Wörter verboten waren, aber viele sahen diese Entwicklung als Schritt in eine vermeintlich progressivere Richtung.
Hier ein Fact-check zu eben diesem Thema für alle, die das interessiert: https://eu.usatoday.com/story/news/factcheck/2021/01/16/fact-check-house-rules-only-changed-gendered-language-one-document/4175388001/
Wer sich weiter für diese Thematik interessiert, vor allem auch in Hinblick auf die Universitäten in Amerika, dem sei das Buch: „The Coddling of the American Mind“ nahegelegt. Hier wird in gesamtgesellschaftlichen Zusammenhängen erklärt, wie und warum diese Bewegungen entstehen und welche Auswirkungen sie bisher auf die amerikanische Gesellschaft hatten.
Wieder werden aufmerksame Leser*innen die Frage stellen, was das mit der Pädagogik in Österreich und Europa zu tun hat. Wenn alles, was in der Uni geschieht ein paar Jahre später in der Gesamtgesellschaft ankommt, so ist es dasselbe in zehnfacher Ausführung so mit den Entwicklungen in Amerika. Alles was bei den Amys passiert, wird von unseren Progressiven mit Begeisterung aufgenommen und ein paar Jahre später auch bei uns umgesetzt. Einige Beispiele wären zum Beispiel die Bestrebungen, mittlerweile auch bei uns unerwünschte Redner*innen von Unicampussen zu verbannen, indem man lautstark vor Hörsälen protestiert, versucht auf Twitter einen Shitstorm zu starten, oder den Render*innen mit Gewalt droht. (Alles Trends die im oben erwähnten Buch genauer untersucht werden).
Wenn ich jetzt noch an das heilige Sendungsbewusstsein denke, das ich bei vielen meiner Mitstudent*innen in dieser Hinsicht bemerken konnte, dann bin ich mir sicher, dass es wirklich nicht mehr lange dauern wird, bis an europäischen Schulen ebenfalls Achtjährige lernen, dass jede Form von biologischem Sex und Gender sozial konstruiert sind.
Vielleicht stellen sich nur mir bei diesem Gedanken die Nackenhaare auf und es sollte zur Schule gehören, Kindern, deren mentale Kapazitäten noch nicht weit genug ausgebildet sind, um komplexe Mathematik zu verstehen, zu sagen, dass ihre gegenderte und sexuelle Identität ein Konstrukt ist, dass sie fluide Wesen sind und dass sie auf Facebook zwischen 60 verschiedenen Geschlechtern auswählen können.
(https://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/geschlechter-liste-alle-verschiedenen-geschlechter-und-gender-arten-bei-facebook-13135140.html)
Noch was: Wenn solche Fragen von den Kindern kommen, sollte das natürlich diskutiert werden! Aber hier etwas als Tatsache zu verkaufen, was noch bei weitem nicht Tatsache ist, wird die Diskussion in Zukunft nicht leichter machen.
Es klingt für mich so, als würde in diesem Bereich immer mehr öffentliche Diskussion unmöglich werden. Entgegenlaufende Meinungen werden immer mehr im Internet gesucht, gefunden und geahndet oder unkritisch übernommen. Was von der öffentlichen Diskussion übrig bleibt, ist konzentriertes hasserfülltes Geschrei und Rufe nach dem Deplattforming und Cancelling von Einzelnen.
Ich persönlich glaube, dass die Wahrheit in dieser Sache irgendwo in der Mitte liegt; gesellschaftlich beeinflusste Biologie also… Aber dieser Lösungsansatz wird leider öffentliche Diskussion brauchen, um zur Gänze geklärt zu werden. Ob wir die in der Öffentlichkeit finden werden, ist fraglich.
Aber so wie Gender momentan an der Uni unterrichtet und verstanden wird, sprechen wir nicht von einer Debatte, sondern von einer Ideologie und die filtert momentan eins zu eins in die Schulen.
Wenn ihr anderer Meinung seid, dann bitte diskutiert mit mir, bevor ihr mich boykottiert! Ich freue mich wirklich über den Austausch, vor allem weil ich selber ja immer wieder gerne etwas lerne. Gerne via Mail, oder in die Kommentare, damit alle sehen, wo ich irre!
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